Warum diese Frage dich eher blockiert als weiterbringt
Die Frage „wie spreche ich perfekt Englisch“ stellen sich viele, die eine Fremdsprache lernen. Vor allem wir Deutschen neigen dazu, alles richtig machen zu wollen – Grammatik, Aussprache, Vokabeln, Redewendungen. Doch dieser Perfektionismus kann uns mehr schaden als helfen.
Wir wollen so klingen wie ein Muttersprachler. Immer fehlerfrei reden. Niemals stottern. Uns immer spontan korrekt ausdrücken. Aber was, wenn genau dieser Wunsch nach Fehlerfreiheit uns blockiert – und am Ende dafür sorgt, dass wir gar nicht erst Englisch sprechen? Außerdem: auch englischsprachige Menschen machen laufend Fehler, selbst die weltberühmten BBC-Nachrichtensprecher.
Perfektionismus – die größte Sprachbarriere für Anfänger und Fortgeschrittene beim Lernen
Wenn du Englisch lernst, kennst du wahrscheinlich Situationen wie diese:
- Du willst etwas sagen – aber in deinem Kopf überlegst du, ob es „correct grammar“ ist.
- Du kennst ein Wort auf Deutsch, aber traust dich nicht, es einfach auf Englisch zu umschreiben.
- Du hörst Muttersprachler*innen und denkst: „So gut werde ich nie klingen.“
Und dann passiert: nichts. Du sagst lieber gar nichts, statt „falsches“ Englisch zu sprechen.
Das ist das eigentliche Problem: Der Wunsch, „korrektes Englisch“ zu benutzen, führt dazu, dass wir gar nicht erst den Mund aufbekommen.
Sprache ist keine Mathe
Wir Deutsche sind geprägt von einem Bildungssystem, das Unrichtiges rot markiert und Regeln über alles stellt. Schon in der Schule lernen wir: Was wir sagen oder schreiben, muss korrekt sein. Es gibt einen richtigen und einen falschen Weg.
Doch Sprache ist lebendig. Sie verändert sich. Sie ist persönlich. Sie ist kulturell. Sie ist Kommunikation, kein Grammatiktest.
Bastian Sick und das Ende der Sprachperfektion
Der Sprachwissenschaftler Bastian Sick, Autor von „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“, hat uns gezeigt:
Auch im Deutschen ist vieles, was wir im Alltag sagen, grammatikalisch „nicht korrekt“ – aber dennoch vollkommen verständlich.
Wer hat noch nie gesagt:
„Das macht Sinn“ – obwohl es laut Puristen „keinen Sinn“ machen darf?
„Wegen dem Wetter“ – obwohl es „wegen des Wetters“ heißt?
Wenn wir im Deutschen nicht perfekt sind – warum verlangen wir es dann von uns selbst im Englischen?
Kompliziert klingt nicht immer besser
Viele denken: Je komplexer mein Englisch, desto besser. Aber das stimmt nicht.
Beispiel: Einfach vs. kompliziert
Kompliziert:
„I find this situation rather perplexing due to the intricacies involved.“
Einfach:
„This situation is confusing because it’s complicated.“
Beide Aussagen meinen dasselbe. Der zweite ist einfacher – aber nicht „schlechter“. Im Gegenteil: Er ist klarer, verständlicher, menschlicher.
Komplexe Sätze können leichter missverstanden werden. Besonders im internationalen Kontext, wo nicht alle Englisch auf Muttersprachniveau sind.
Wenn du in einem internationalen Team arbeitest, ist es oft sogar ein Vorteil, einfaches Englisch zu nutzen. Weniger Missverständnisse, mehr Klarheit.
Gibt es überhaupt „Perfect English“?
Was viele vergessen: Es gibt nicht nur eine Version von Englisch.
Amerikanisches Englisch, britisches Englisch, indisches Englisch, nigerianisches Englisch, australisches Englisch … sogar innerhalb eines Landes gibt es hunderte Dialekte und Sprechweisen.
Ein US-Amerikaner sagt:
„Can I get a coffee?“
Ein Brite sagt:
„Could I have a coffee, please?“
Beides ist „richtig“. Beides ist höflich. Es ist einfach nur anders.
Was ist also perfektes Englisch?
Die Antwort: Es gibt es nicht.
Perfektion ist eine Illusion – vor allem in der Sprache. Ziel ist nicht, fehlerfrei zu reden, sondern verstanden zu werden.
Kommunikation ist selten fehlerfrei
Sprachfehler sind keine Katastrophe. Sie sind Teil des Lernens. Und oft sogar sympathisch.
Wenn du sagst:
„I am since two years in Germany.“
versteht dich jeder. Ja, grammatikalisch wäre es:
„I have been in Germany for two years.“
Aber was ist wichtiger: Dass du kommunizierst – oder dass du dich grammatikalisch richtig ausdrückst?
Tipps für entspanntes Englisch üben
1. Sprich viel, mach dir weniger Sorgen
Je mehr du aktiv kommunizierst, desto besser wirst du. Warten auf fehlerfreie Sätze blockiert dich. Jede Message gibt es sowieso in Dutzenden von Versionen. Fehlt dir der Gesprächspartner, dann denk einfach mal täglich 5 Minuten auf Englisch. Ist völlig kostenlos und niemand kann dich kritisieren. Fürs Gehirn ist das eine super Übung und du wirst dich schnell verbessern. Und du kannst das auf jedem Niveau probieren.
2. Umschreibe, was du nicht weißt
Sag statt „I’m overwhelmed“ einfach „It’s too much for me.“ – gleiche Bedeutung, klar verständlich. Mit den Satzstrukturen zu spielen kann Fortschritte bringen.
3. Nutze einfache Satzstrukturen
Du musst nicht beeindrucken – du willst verstanden werden.
4. Schau Serien und Filme, höre Podcasts – aber ohne Zwang
Nimm die Fremdsprache auf wie ein Kind. Anhören, zuhören. Lass dich von Muttersprachlern berieseln. Sprachenlernen mit Entertainment macht Spaß. Stell einfach die Untertitel an. Nutze Resourcen im Internet, zum Beispiel die 6-minute podcasts der BBC. Spiel doch mal Scrabble auf Englisch.
5. Mach Frieden mit deiner Unvollkommenheit
Sie sind ein Zeichen dafür, dass du sprichst, statt zu schweigen. Fließend heißt nicht fehlerfrei. Es heisst nur, dass du dich in jeder Situation angemessen verständlich machst.
6. Lass dir Zeit
Jede Kunst braucht einen gewissen Zeitraum des Übens. Sei geduldig! Fließend Englisch lernen dauert eben. Aber deine Sprachkenntnisse werden sich kontinuierlich verbessern.
7. Such dir einen persönlichen Trainer
Der übt dann ganz gezielt mit dir und du wirst deine Hemmungen schnell verlieren. Hier findest du jemanden.
Zusammenfassung: Sprich mutig, nicht perfekt
Du brauchst kein superkorrektes, flüssiges Englisch. Du brauchst Mut, Geduld und den Willen, dich auszudrücken. Sprache ist ein Werkzeug. Sie dient nicht der Bewertung – sondern der Verbindung.
Also: Lass den Perfektionismus los. Rede drauflos. Wage Fehler. Sei nicht schüchtern!
Denn der schlimmste wäre zu schweigen.